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Ferner, wenn der Geist oder das Fleisch träge werden, und ihr zweifelt,
solltet ihr aufrichtig vor dem Buddha bekennen. Wenn ihr dies tut, wird die
Kraft und Tugend des Bekennens vor dem Buddha euch erlösen und reinigen.
Solche Tugend lässt das reine Vertrauen und die Kräfte der Hingabe
grenzenlos wachsen. Und wann das reine Vertrauen sich einmal offenbart, werden
das Selbst und die Welt gleichermassen verändert, und dieser Verdienst
durchdringt überall die empfindenden und nicht-empfindenen Wesen. Der Sinn
eines solchen Bekenntnisses ist folgender:
"Obwohl ich viele unrechte Taten in der Vergangenheit begangen habe und
es Ursachen und Umstände gibt, die meinen Weg behindern, bitte ich die
Buddhas und Patriarchen, die die Wahrheit durch den Buddha-Weg erlangten, sich
meiner anzunehmen, mein Karma aufzulösen und die Hindernisse für mein
Lernen der Wahrheit zu beseitigen. Mögen ihre Tugend und ihre Dharma-Tore
die grenzenlose Dharma-Welt erfüllen und durchdringen. Lasst mich teilhaben
an ihrem Mitgefühl. In der Vergangenheit waren Buddhas und Patriarchen
so wie wir. In der Zukunft mögen auch wir Buddhas und Patriarchen werden."
Wenn ihr so zu den Buddhas und Patriarchen aufschaut, sind sie und ihr ein Buddha-Patriarch,
und wenn ihr den Geist so erweckt, ist ihre und eure Erweckung eine Erweckung
des Geistes. Wenn die Buddhas und Patriarchen ihr Mitgefühl in alle Richtungen
geben, entstehen von selbst günstige Umstände, und gute Gelegenheiten
tun sich auf.
Deshalb sagt Meister Ryuuge(*2): "Wenn ihr in den vergangenen Leben noch
nicht vollkommen ward, könnt ihr es jetzt werden. In diesem Leben könnt
ihr den Körper aufeinanderfolgender Leben erlösen. Vor dem Erwachen
waren die ewigen Buddhas wie Menschen von heute. Nach dem Erwachen werden die
Menschen von heute ewige Buddhas sein."
Diesen Gedanken solltet ihr in Ruhe erforschen und erfahren. Es bedeutet, den
Buddha unmittelbar zu erfahren. Wenn ihr so bekennt, wird der mystische Beistand
der Buddhas und Patriarchen auf jeden Fall wirksam. Bekennt und enthüllt
eure Gedanken und das Verhalten eures Körpers vor dem Buddha. Die Kraft
eines solchen Bekenntnisses bewirkt, dass sich die Wurzeln des Unrechts auflösen.
Die ist die ungetrübte reine(*3) und wahre Praxis; es ist wahre Vertrauen
in den Geist und wahres Vertrauen in den Körper. Wenn ihr so praktiziert,
werden euche die Stimme und die Form des Tales und die Form und die Stimme der
Berge keinen der vierundachtzigtausend Verse vorenthalten.
...
(*4)
(*2) Meister Ryûge Koton (835-923), Nachfolger von Meister Tôzan Ryôkai.
(*3) "Ungetrübt rein" ist wörtlich "die eine Farbe".
(*4) Shôbôgenzô Keisei sanshiki - Dargelegt vor einer Versammlung im Kloster Kannondôri-kôshô-hôrin, am fünften Tag nach Beginn der Sommerübungen im zweiten Jahr der Ära En-ô (1240).
Anmerkung des Autors und
Quellenangabe:
Es war mir ein Bedürfniss diesen Ausschnitt aus Meister Dogens Text hier
zur Verfügung zu stellten. Er hat mich schon beim ersten Lesen stark berührt.
Das Bekenntnis vor Buddha ist der aufrichtige Weg, die eigenen Schwächen
zu überwinden und die nötige Kraft aufzubringen, den Buddha-Weg zu
erlernen und zu gehen.
Der Text stammt aus dem Shôbôgenzô - Kapitel 9 "Keisei
sanshiki" von Meister Dogen (1200-1253) und wurde von Ritsunen Gabriele
Linnebach und Gudô Wafu Nishijima ins Deutsche übersetzt.
Der Titel und die Formulierung "vierundachtzigtausend Verse" beziehen
sich auf das "Erleuchtungsgedicht" des Laien Tôban (Soshoku
bzw. Shinsen - chin. Dichter 1036-1101), von dem Meister Dogen zu Beginn des
Kaptiels erzählt:
"Die Stimme des Tales ist Buddhas weite und lange Zunge,
die Form der Berge nichts anderes als sein reiner Körper.
Vierundachtzigtausend Verse klingen in der Nacht,
wie kann ich dies an einem anderen Tag den Menschen sagen?"
Die vorliegend Ausgabe ist im Kristkeitz Verlag erschienen (ISBN 3-921508-90-8)
und kann von mir als tiefer Einblick in den Zen-Buddhismus uneingeschränkt
empfohlen werden.Es ist nicht meine Absicht geltende Rechte zu verletzen, sondern
dieses Juwel des Buddha-Dharma einer breiten Masse im deutschsprachigem Weltnetz
zur Verfügung zu stellen.
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HvS 07/2005
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